Beschreibung
In manchem Palast oder Herrenhaus gab es früher zwischen den Wänden Gänge und Treppen, die es der Dienerschaft erlaubten, ihrer Herrschaft ungesehen zu folgen, um sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort bedienen zu können. Ihre Existenz hinter Wänden und Tapetentüren ersparte den Herrschaften den unnötigen Anblick gesellschaftlicher Inexistenz.
Pressestimme: nau.ch
Aus dem Inhalt:
Die Zeit spielte für Anselm nur insofern eine Rolle, als er sie eines Tages für sich fassbar machen wollte. Nicht, dass ihm daran gelegen gewesen wäre, einen Anfangspunkt der Zeit festzulegen – zum Beispiel den Beginn seines Lebens in der Wand, um ab da in Tagen, Wochen oder Jahren das Vergangene und das möglich Künftige zu messen. Nein, denn er lebte ganz und gar im Jetzt. Doch ahnte er, dass es etwas wie Zeit geben musste, weil er hinter einer bestimmten Stelle der Holzwände die ihn umfingen, ein leises Ticken hören konnte. Dieses Geräusch war in seiner Abfolge von einer magischen Regelmäßigkeit, dass Anselm sich zum ersten Mal die Frage nach Anfang und Ende stellte.
Das Halbdunkel, das Anselm seit frühester Kindheit umgab, hatte in ihm auch kein Zeitgefühl entstehen lassen. Gängige Begriffe wie Tag und Nacht; Frühling, Sommer, Herbst und Winter spielten in seinem Leben keine Rolle. Er nahm solche Veränderungen ausschliesslich über seine Sinne wahr. Auf das Rauschen der Quelle im Untergrund folgte die Hitze, auf das Ächzen des Sturms im Gebälk, die Kälte im alten Gemäuer. Schlafen und Wachen gehörten in dieser Abfolge ebenso dazu, wie das Essen und Verdauen.
So war es wenig erstaunlich, dass Anselm sein eigenes Alter nicht kannte und seinem Sein und Werden keine Bedeutung beimass. Seit seine Mutter ihn verlassen musste, weil alle Dienstboten des Hauses weggeschickt wurden, mag die Quelle ein Dutzend Mal rauschend davon gezogen und die Hitze unter dem Dach ebenso oft gross und drückend gewesen sein.
Damals, als die Mutter ihn verliess und die Tapetentüren zugemauert und überklebt wurden, sagte sie zu ihm; „Mein kleiner Junge, du wirst gross und schön werden. Das ist alles, was ich dir geben konnte.“ Sie schaute dabei in seine Augen und strich ihm ein letztes Mal über sein glänzend schwarzes Haar…
Illustration, Konzeption und Layout: Luca Mast
Rosmarie Zerwetz –
Ja auch ich habe die Bücher „Archivgeflüster und „Drei Sunden von Bern „mit Genuss gelesen .Werde mir nächstens ein neues Buch von Werner Adams gönnen.
Rosmarie Zerwetz Bertoni.
Susanne M., Rothenburg –
Vielen Dank für die Geschichte von Anselm, die Ratte und der junge Herr. Nebst den ernsten Stories die SIe schreiben, habe ich auch diese fantasievolle Geschichte mit Genuss gelesen. Ein Kompliment an den Illustrator für die tollen Bilder!
Kurt M. aus Gossau –
Natürlich frage ich mich, was es mit dem Schloss Waldegg bei Solothurn auf sich hat, das einen zu einer solchen Geschichte inspiriert. Ich spare die Lektüre der ganzen Geschichte auf eine Bahnfahrt nach Münster auf, wo ich einen genealogischen Anlass besuchen werde.
Die äusserst attraktiven Bilder erinnern mich irgendwie an den Stil von Alberto Giacometti und Eduard Munch, übersetzt in die heutige Zeit.
Birgit W., D-Engelskirchen –
Bei diesem Autor ist man vor Überraschungen nie sicher. In seinem bekannten, bildhaften und phantasievollen Stil, erzählt er hier in feinster arabischer Manier, eine gefühlvolle und auch unterschwellig erotische kleine Geschichte aus 2 räumlichen Parallelwelten. Die liebevollen und detaillierten Beschreibungen insbesondere von scheinbaren Nebensächlichkeiten (wer genaueres wissen will, muss selber lesen!) sind wieder wunderbar und zeugen von einer ausgeprägten Beobachtungsgabe, die auch die kleinen Dinge des Lebens in`s rechte Licht setzt. Die einfühlsamen, ausdrucksstarken und kraftvollen Illustrationen von Luca Mast runden die kleine aber feine Geschichte perfekt ab.